Links:Blindenanstalt und (re. daneben) Jüdisches Waisenhaus (um 1900): rechts: Gedenkhalle im Jüdischen Waisenhaus (um 1905).

Früher

Im Süden der Stadt gab es jenseits der Bahngleise im 19. Jahrhundert freie Flächen, die man u. a. 1861-63 für den Bau eines „Jüdischen Waisenhauses für die Provinzen Westfalen und Rheinland“ nutzte. Fanny Nathan (1803-1877) hatte ein erstes, noch auf die Provinz Westfalen beschränktes Waisenhaus im März 1856 am Domplatz Nr. 14 gegründet. Aufgrund der rasch steigenden Belegungszahl wurde auf dem Eckgrundstück Leostraße/Husener Straße neu gebaut und 1864 eine eigene Elementarschule eingerichtet.

Die „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten führte ab 1933 auch in Paderborn zur Ausgrenzung und Vertreibung der Juden, was in Deportation und systematischem Massenmord gipfelte. Nachdem die „Nürnberger Gesetze“ von 1935 jüdischen Jugendlichen Ausbildungs- und Lehrmöglichkeiten beinahe gänzlich versperrten, versuchte das Jüdische Waisenhaus seine Bewohner handwerklich, land- und hauswirtschaftlich auszubilden und so auf eine Auswanderung bzw. den Neuanfang im Ausland vorzubereiten. Dabei arbeitete man mit anderen jüdischen Einrichtungen wie der 1893 gegründeten Heimschule Ahlem bei Hannover zusammen.

Zum 31. Mai 1942 wurde das Waisenhaus geräumt. Schon Ende 1941 waren einige Kinder und Beschäftigte (vorläufig) in ihre Heimatorte zurückgekehrt. Die Zurückbleibenden wichen in die Gartenbauschule in Ahlem aus. Von dort wurden sie in Ghettos oder Vernichtungslager deportiert.

Das verlassene Waisenhaus - es unterstand seit Februar 1942 dem Kreis Paderborn - wurde von der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ übernommen. Schon im Dezember 1944 wurde es (wie die benachbarte Blindenanstalt) durch einen Bombenangriff zerstört.

Kinder des Jüdischen Waisenhauses (um 1905)

Heute

Nach dem Zweiten Weltkrieg baute man das Waisenhaus nicht wieder auf. Die Blindenanstalt nutzte das Grundstück, um Schule und Internat sowie die Werkstätten zu vergrößern (April 1950).

Knapp vier Jahrzehnte später stellte die „Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit“ dort, wo das Jüdische Waisenhaus gestanden hatte, im Gedenken an die Opfer eine Stele auf. Geschaffen hat sie der Bildhauer Werner Klenk aus Oelde. Die Einweihung fand am 5. März 1990 statt. Auf einem breiten Sockel - der die Stärke Israels vor dem Holocaust symbolisiert - erhebt sich das (stilisiert dargestellte) Waisenhaus. Sieben Linien prägen (den siebenarmigen Leuchter zitierend) die Darstellung, die durch eine Flamme ‚gebrochen‘ ist - ein Hinweis auf die Krematorien der NS-Konzentrationslager, aber auch ein Zeichen der Mahnung.

Seit 2006 trägt die ehemalige Blindenanstalt den Namen „Pauline-Schule - LWL-Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen“. Diejenigen Schüler, denen der tägliche Weg zum Unterricht nicht möglich ist, kommen im benachbarten LWL-Internat unter.

Pauline-Schule an der Leostraße.