Die Giersstraße gehörte seit dem Bau der Stadtmauer um 1100 zu den Durchgangsstraßen, die durch eines der später fünf Tore liefen. 1701 errichtete Wilhelm von Westphalen an der Ecke Giers- und Heiersstraße den größten Adelshof Paderborns. Im Anschluss säumten deutlich bescheidenere Häuser die Straße. Hier lebten Handwerker, Händler, Gastwirte und Landleute, die in ihren Hinterhöfen Gärten bewirtschafteten. Viele Gebäude in der Giersstraße besaßen „Luchten“: kleine, der eigentlichen Fassade vorgesetzte Bauten, aus denen die Hausbewohner auf die Straße „lugen“ = schauen konnten.
Zum Gierstor hin und an der Giersmauer standen Bauten mit großen Dielen und Dielentoren, die seit dem 16./17. Jh. nur noch zum Teil klassische Bauernhäuser, sondern vor allem bürgerliche Wohnhäuser mit ebenerdigem Vorbau in Fachwerkbauweise mit einem steinernen, unterkellerten Hinterhaus waren.
Hinter den Häusern Nr. 21 und 23 erhob sich das von 1312 bis 1809 bestehende St.-Laurentius-Hospital. In dieses „Giersarmenhaus“ (Am Stadelhof Nr. 2) zog 1861 die zwei Jahre zuvor von Johanna Pelizaeus (1824-1912) gegründete und geleitete „katholische höhere Töchterschule und Pensionat“ ein. Ergänzt um ein Gymnasium für Mädchen, wechselte die Schule 1908 in den Westphalenhof, bevor sie 1929 das Gebäude des katholischen Lehrerinnenseminars am Gierswall Nr. 2 - das heutige Pelizaeus-Gymnasium - übernahm.
Dem Westphalenhof gegenüber lag die Kurie bzw. der Garten des Paderborner Weihbischofs. Ihm schloss sich seit 1889 die evangelische Volksschule an. Sie entstand im Garten der ehemaligen (und seit der Säkularisation wohnfreien) Gronefeldschen Domkurie, in der die Schule zuvor seit 1817 untergebracht war.
Nach den Zerstörungen des II. Weltkriegs wieder aufgebaut, dominiert der Westphalenhof nach wie vor den Einfahrtsbereich zur Giersstraße. Seit 2002 beherbergt das Gebäude ein Seniorenzentrum, das durch einen Restaurations- und Veranstaltungsbereich ergänzt wird.
Verschwunden ist der Garten des Weihbischofs. Er wich einem gepflasterten Platz, der sich entlang der Kasseler Straße zwischen Giersstraße und Am Busdorf erstreckt.
Ebenfalls fort sind die alten Wohnhäuser. Viele wurden im Krieg zerstört, während die letzten Dielenhäuser im Bereich Giersmauer erst in der „Wirtschaftswunderzeit“ der 1950er und 60er Jahre abgerissen wurden.
Große Mehrfamilienhäuser jüngerer Bauzeiten haben die ursprüngliche Bebauung durchgängig ersetzt. Durch den schmalen Spalt der Gesellenhausgasse lässt sich der Turm der Busdorfkirche erkennen.